Totenmesse (German Edition) by Stanislaw Przybyszewski

Totenmesse (German Edition) by Stanislaw Przybyszewski

Autor:Stanislaw Przybyszewski [Przybyszewski, Stanislaw]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2011-04-12T22:00:00+00:00


Außen wurde zu Innen, das Schauen zum Scheinen, Lust zu einer ätzenden Lauge, Schmerz zu einer eklen Spinne, die das Herz ansticht und ihm das Blut aussaugt, Wohlbehagen zur stinkenden Pfütze.

Und Du? Wo bist du? – Lebst du? bist du tot? ich weiß es nicht. In meinem Gehirne sind Lücken und Löcher; zwischen den einzelnen Bewußtseinsepisoden fehlt es am Kausalzusammenhang.

Übrigens – das ist ja ziemlich gleichgültig.

Jetzt handelt sich's nur darum: Was nun?

Aber im vollen Ernste: was nun? –

Und wenn es doch einen Gott gibt? Wenn die Seele unsterblich ist, und die katholische Kirche am Ende doch die alleinseligmachende Gnade verleihen kann?

Ja, ja, ja: die katholische Kirche! Die Allmutter, die Isis, der siebente Schöpfungstag des Geschlechtes mit den brünstigen Offenbarungen ihrer Schwangerschaftshysterie, der ins Jenseits ausgewachsene Pan-Uterus, der die ganze Welt umfängt und übertrieft mit seinen blutigen Flimmerfasern.

Und wenn die wahnsinnige sexuelle Sehnsucht kommt nach den ursprünglichsten Geschlechtsmysterien, wo man große Geheimnisse schaute, die verloren gegangen sind, Mysterien, die man noch vielleicht mit einem Monerenleib empfinden konnte, aber niemals mehr mit differenzierten Sinnesorganen: wo soll sich diese verzweifelte Sehnsucht austoben, wenn nicht in dem Schöpfungsakt der physiologischen Erinnerung an seine ersten Entwicklungsstadien, wenn nicht in der Gemütsorgie, die nur die Kirche geben kann, im mystischen Dunkel, in Weihrauchwolken, die alle Lebensfunktionen in der Sexualsphäre gipfeln lassen, in den barbarischen, übergewaltigen Orgeltonwogen, die das zarte moderne Gehirninstrument aus dem Gleichgewicht bringen, in der ganzen Umgebung, wo vier Kulturen auf einander gepfropft und raffiniert-naiv an einander gekittet sind.

Wie sich dann die Reduktion des Gehirnes allmählich vollzieht, wie das Gehirn extensiv wird, daß die Seele rast und an die Grenzen der epileptischen Starrsucht kommt!

Aber naiv, ganz naiv, ganz unbewußt müßte das genossen werden.

Die Epilepsie ist sonst da, die künstliche Fallsucht des modernen Geistes, aber es fehlt an der psychologischen Form, in der man sich als Einheitswesen empfindet, sich mit seinen körperlichen Äußerungen identifizieren kann.

Es fehlt der einheitliche Glaube.

Der Glaube an Charcot und der Glaube an die göttliche Weihe der Besessenheit –

der Glaube an Kant-Laplace und an die Erschaffung der Welt in sieben Tagen –

der Glaube an die Gotteskindschaft Christi und an die Weisheit Darwins und Strauß-Renan's –

der Glaube an die unbefleckte Empfängnis Mariae und an die primitivsten Tatsachen der Embryologie –

nein! es geht nicht.

Es gibt keinen Ausweg.

Ekel ...

Wie zwei Gangränherde wachsen meine Impotenz und der intensive Ekel sich entgegen und begegnen sich in ihrem Zerstörungswerk.

Wie unterirdische Quellen, die aus unablässigen Regengüssen stammen, sickern sie unaufhörlich durch die tiefsten Schichten meiner Seele, alles auflösend, auslaugend, zerfressend.

Wie das brutale Licht der Mittsommersonne zersetzen sie mir, vergiften sie mir den Nährstoff der Erde, in der ich wurzle, und dörren mir das Chlorophyll aus allem, was diesem Boden entsprossen ist.

Und so wurde das Gold zu Kupfer entwertet, und die schönsten Hoffnungen zerbröckelt und zertrümmert; die Gedanken verloren ihre Expansivkraft und sanken zu zusammenhanglosen Reflexen herab; die glück- und lebensreiche Welt der Dinge wurde zum wesenlosen, unbestimmten Symbol, grau in grau auf eine kalte Glaswand hingehaucht; das taghelle, sonnensatte Sehen zur kranken Halluzination, – und du – ja Du



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